Nie wieder ist jetzt. Gegen Ausländerhass und rechtes Gedankengut

 

Ein Knistern lag in der Luft letztens bei Aldi:  Kunden mäkelten, es wären mal wieder zu wenig Kassen offen. Das Übliche halt. Die Kassiererinnen waren sichtbar genervt. Auf einmal sprang eine Person im blauen Kittel mit Kopftuch im Kassenbereich herum: "Ich bin die Neue, ich bin die Neue," jubelte der verkleidete Mann - sein Akzent zeigte, dass sein Geburtsort viele Tausende Kilometer von Flensburg entfernt liegt. Das war Herr Hermendez, er kommt aus Kolumbien. Die vorher noch so genervten Mitarbeiterinnen brachen in schallendes Gelächter aus. "Das ist so ein verrückter Kerl," lachte die Kassiererin, auf deren Band ich meine Waren gelegt hatte. "So ein verrückter Kerl, und er bringt uns alle zum Lachen. Hach, tut das gut." Was wäre der Aldi in unserer Nähe ohne Herrn Hermendez? Viel ärmer. Heute saß Herr Hermendez an der Kasse - und ich fragte, ob ich ein Bild von ihm machen dürfe - und ob ich auch über ihn schreiben dürfe. Er hat zugestimmt. 


Im Frühjahr war es, als ein Sperrmüllwagen des TBZ Flensburg (Technisches Betriebszentrum)  in unsere kleine Straße einbog. Unser Enkel war bei uns und brannte vor Neugier, als er das riesige Gefährt sah. Also raus nach draußen auf Opas Arm. Der Wagen fuhr sehr langsam, einer der Mitarbeiter stieg aus. Er sah sofort, wie interessiert der Kleine war und bat seinen Kollegen, die große Presse anzustellen. Den Kleinen nahm er auf den Arm und beguckte sich mit ihm alles aus nächster Nähe. Unser Enkel fühlte sich sehr wohl auf dem Arm des TBZ Mitarbeiters. Dass der Mann eine andere Hautfarbe hatte als er, bemerkte er gar nicht - oder es war ihm völlig egal. Er hatte jemanden gefunden, der auf sein Technikinteresse liebevoll einging. Ich fragte, ob ich ein Foto von den beiden machen dürfe. Der Mann stimmte zu. Als genug geguckt war, übergab der Mann unseren Enkel wieder dem Opa und fuhr freundlich winkend im Müllwagen davon. Dieser Mann heißt Braima Baldé und kommt aus Afrika. Über das TBZ habe ich die Erlaubnis von ihm, das Bild und seinen Namen zu veröffentlichen.

August 2024: Katastrophale Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen. Die AFD ist bei 30% der Wählerstimmen gelandet. Und das in einem Land, wo Fremdenfeindlichkeit,  Menschenverachtung und Judenhass die größte menschliche Katastrophe unserer Geschichte angerichtet haben. 

Immer neue Meldungen werden veröffentlicht von Fremdenhass und fiesen Gesängen. Deutschland den Deutschen, Ausländer raus. Was für ein gedankenloses Geplärre. Wo wären wir denn in Deutschland, wenn es diese Menschen nicht gäbe?
Ja, es kommt zu Zwischenfällen. Ja, es gibt wirklich verabscheuungswürdige Taten, die von Menschen begangen werden, die von außen zu uns gekommen sind. Ja, die sind nicht zu dulden. Ja, wir sollten genau hinsehen, wer in unser Land kommt. Aber es sind doch nicht alle Ausländer schlecht. Sie leben mitten unter uns und machen oft genug Arbeiten, die kein Deutscher und keine Deutsche haben möchte. Wo wären wir ohne die Menschen in unserer Mitte?
- Ohne Herrn Baldé vom TBZ und seine Kollegen, die sich um die Abfälle in der Stadt kümmern?
- Ohne Herrn Hermendez, der fröhlich bei Aldi die Mitarbeitenden und die Kunden anstrahlt? 
- Ohne den Mann aus Syrien, der Pakete bringt? 
- Ohne das bunt gemischte Team der DHL Mitarbeitenden, die uns täglich die Briefe in die Kästen stecken?
- Ohne die Busfahrer, die aus vielen Ländern der Erdkugel kommen?
- Ohne die Männer und Frauen an den Supermarktkassen, die so international zusammengesetzt sind?
- Ohne die Leute im Dönerwerk, die unser leckeres Abendessen zubereiten?
- Ohne alle die, die in Pizzerien arbeiten, die Essen servieren, während wir unterm Sonnenschirm sitzen?
- Und wo wären wir ohne die bunte Mischung von Menschen, die in Krankenhäusern und Pflegeheimen arbeiten als Ärztinnen und Ärzte und als Pflegekräfte?
- Ohne die freundliche Bäckerei Fachverkäuferin, die hier in 3. Generation lebt, deren Großeltern in den 60er Jahren als Gastarbeiter kamen?

Wo ist der Respekt vor diesen hart arbeitenden Leuten? Eins wird immer wieder vergessen bei all den Parolen von rechts: Es gibt in unserem Land einen ganz großen Fachkräftemangel. Wie kann man so eine Fremdenfeindlichkeit vertreten, wo unser Land so sehr auf Menschen angewiesen ist, die hierher ziehen?

Und das ist ja nur eine Seite.

Wer hat erlaubt, dass man sich Fremden gegenüber schlecht benehmen darf? Wer gibt den Krakeelern das Recht, Fremde zu beleidigen oder anzugreifen? Es gibt doch den Spruch: Alle Menschen sind Ausländer - fast überall. 

Was ist mit uns Menschen passiert in den letzten Jahren? Uns geht es so gut. Wieso gibt es so ein böses Klima im Land? Haben Omas und Opas nicht genug gewarnt, wie schnell Worte zu Taten und Taten zu Katastrophen führen ? Wann habt haben so viele alles gute Benehmen vergessen? Woher kommt dieser Hass, der aus so vielen herausrinnt? 

Christen ist so ein menschenverachtendes Verhalten verboten, lest es nach, z. B. im 3. Buch Mose Kapitel 19, 34, wo Mose sagt: «Der Fremdling, der sich bei euch aufhält, soll euch gelten, als wäre er bei euch geboren, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen im Land Ägypten. Ich, der HERR, bin euer Gott» 

Es ist kein guter Weg, auf dem wir im Moment sind in unserem Land. Ich schäme mich, dass wir nach knapp 80 Jahre an so einem gefährlichen Punkt angekommen sind. Wir haben jede Menge Krisen in diesem Land, aber zur Lösung helfen keine billigen und dumpfen Parolen. Es wird Zeit, dass wir miteinander aufstehen, die Ärmel hochkrempeln und verhindern, dass die Rechten wieder an Macht gewinnen. Das hat uns schon mal in den tiefsten Abgrund geführt. Ich möchte den Schreihälsen nicht das Ruder überlassen. Ich möchte mich mit Euch zusammentun und überlegen, wo wir Auswege finden und gute Lösungen. Bitte, lasst uns  wach werden und aufstehen für Menschlichkeit und Nächstenliebe.

NIE WIEDER! haben sie nach dem Krieg gesagt. Nie wieder so ein Elend. Nie wieder Krieg, nie wieder so viele Tote, nie wieder so ein Hass. Nie wieder so viele unschuldige Opfer.
NIE WIEDER IST JETZT!


Herzlichen Dank an das TBZ und an Herrn Braima Baldé, dass ich das Foto veröffentlichen darf! Und genauso herzlichen Dank an Herrn Hermendez aus der Aldi Filiale Engelsby für die Genehmigung zur Veröffentlichung.

Liebe Grüße von
Heike Schmid




Kommentare

  1. Liebe Heike, wie immer hast du auch diesen Beitrag hervorragend,
    gefühlvoll, beeindruckend, das Für und Wider beleuchtend, aufrüttelnd, kurzweilig und zum Nachdenken anregend geschrieben.
    Danke, dass ich auf diese Weise an deinen Gedanken teilhaben darf. 🫶

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  2. Es wird Zeit dass wir mal wieder über Gott und die Welt am Kaminfeuer reden... auch wenn wir keine Lösung finden...

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  3. Danke Heike. Deine Gedanken sind meine Gedanken.

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  4. Sehr schöne und zutreffend geschrieben. Danke!

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  5. Liebe Heike, ich danke Dir für Deinen wundervollen Blog. Wenn ich Deine Gedanken lese, lacht mein Herz, es wird warm und weit und freut sich darüber dass es Dich gibt. Ich bin glücklich darüber, dass ich Dich zwar nur kurz aber doch kennenlernen durfte 💖.

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