Ist das denn Kirche? - Jaaaa!

Mitten in der Innenstadt von Bonn, mitten im Gewimmel der Einkaufsstraßen standen wie aufgereiht bunte Klappliegestühle. Auf jedem Liegestuhl war ein Wort groß gedruckt. Konnte man schon von Weitem super sehen. Zusammen gelesen ergaben die Worte einen Bibelspruch. "Geht da unbedingt hin", hatte Uli geraten. "Geht in den Kirchenpavillon."  

Sie hat da vor einigen Jahren gearbeitet.
  
Wir waren skeptisch. Wir hatten doch nur 3 Tage in Bonn - und dann ein Kirchenprojekt ansehen? Wieder eins, wo Kirche krampfhaft zeigen will, wie hip und modern sie ist? Und sich dabei in den Augen anderer lächerlich macht? Mit so Sprüchen wie "Jesus ist cool"? Wo es so wirkt, als wolle Kirche sich anbiedern an den Zeitgeist auf Teufel komm raus?

"Vielleicht finden wir es ja gar nicht", sagte ich zu meiner Freundin. Wir beide waren losgestartet in unseren 2. Bonn-Tag: die botanischen Gärten standen ganz oben auf unserer Liste. Aber die Liegestühle standen so was von klar und deutlich an unserem Weg - übersehen ging nicht. "Komm, da setzen wir uns jetzt hin", sagte Astrid. "Ein Milchkaffee wäre doch genau richtig. Und ein Klo auch."

Was fanden wir? Eine bunte Mischung aus Leuten, die in dem Kirchenpavillon mit seinem Café und Restaurant arbeiteten. Und offene Türen sahen wir, auf denen groß "Beratung" stand. Ein wunderbarer Geruch von Mittagessen zog in unsere Nasen - leider zu früh für uns. Immer mehr Leute kamen, die sich in die Liegestühle setzten. Immer mehr Leute, die zu den offenen Türen strömten.
Es war eine Atmosphäre, die von Fröhlichkeit und Lockerheit geprägt war, wie ich sie "bei Kirchens" sehr selten angetroffen habe.

Kirche ganz anders und dennoch ganz echt, das haben wir in Bonn erlebt. Kirche kann so sein, z.B. in City Kirchen, mitten in Fußgängerzonen, mitten im Alltag. Sie ist so präsent, dass man quasi über sie stolpert.

Was ist Kirche?

Für viele ist Kirche vor allem ein Gebäude mit hohen Decken, mit seltsamem Geruch, mit Ehrfurcht einflößender Atmosphäre, kalt und hallig. Kirche: ein Ort, wo man sonntags von oben her zugepredigt wird mit endlos vielen Worten. Wo man sich das Gähnen kaum verkneifen kann.

Kirche, so haben die Alten gesagt: das ist Glauben und Handeln, Beten und Arbeiten. In der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen haben sie es so beschrieben:  Die wichtigste Aufgabe der Kirchen ist es, gemeinsam das Evangelium durch Wort und Tat zu verkündigen.

Wir erlebten in Bonn Kirche mit offenen Türen, bunt, fröhlich und echt. Mit Menschen aus vielen Ländern. Kirche zum Wohlfühlen. Kirche im Alltag - und nicht nur für sonntags. Was hat mir das gut gefallen! Danke Uli, dass du uns den Kirchenpavillon so ans Herz gelegt hast!💖

Mir kommen wieder die Gedanken von Jan Hendriks in den Kopf, der seine Idee von Kirche in heutiger Zeit so beschreibt: sie ist wie eine Herberge am Weg der Menschen, wo die am dichtesten am Feuer sitzen, denen es am kältesten ist. Irgendwann verlassen die Menschen die Herberge wieder und ziehen weiter. Aber immer werden sie am Wegesrand Herbergen finden, wo sie wieder einkehren können. Nach Jan Hendriks, Gemeinde als Herberge.

Kirche  finde ich sehr wichtig, auch wenn viele ihr den Rücken zudrehen. Der Auftrag der Kirche ist hochaktuell: mit Menschen für Menschen auf der Grundlage des Glaubens. Nur müsste Kirche an vielen Orten anders werden. Nicht mehr so steif, von oben herab, belehrend, oft genug weit entfernt von den Menschen. Kirche wünsche ich mir mitten drin: da, wo die Menschen sind, z.B. in der Fußgängerzone. Und: lasst die Kirche im Dorf, haltet sie offen und lebendig. 

"Das Wort wurde Fleisch und Blut und zog in die Nachbarschaft", so übersetzt jemand das Bibelwort aus Joh 1,14. Mitten drin, mitten unter uns ist Jesus Christus anzutreffen. Und da sollte Kirche auch sein.