Ganz alte Erinnerungen oder: Senga Sengana






Mein Uropa machte im Sommer gerne Pause auf einer weißen Bank, die draußen zwischen den beiden Hintertüren stand. Wenn er Zeit hatte. Meistens hatte er keine, auch im Alter nicht.
Mein Uropa trug über Tag eine alte, grünliche Arbeitsjacke. Arbeit bestimmte sein Leben. Seine Arbeit, das war im Alter vor allem der Garten. Er pflanzte und hackte, er erntete, grub um. Wenn der Sommer trocken war, dann goss er die Pflanzen. Das alles war sehr anstrengend für ihn, denn er war damals schon um die 80. Ein Leben lang hatte er geschuftet als Weber in der Textilindustrie bei NINO. Als einer der ersten, die damals eingestellt wurden. Das erwähnte er immer wieder voller Stolz. Mit Ende 60 kam er auf Rente, von da an war vor allem der Garten seine Arbeitswelt. 
Zwischendurch saß er draußen auf der Bank, um wieder zu Atem zu kommen. Angezogen mit der alten "Manchestern Büx" und mit der grünen Jacke. Oft las er in einer Zeitschrift. - Damals, als ich noch klein  und er noch nicht blind war. Die zerlesene Zeitung in seinen Händen hieß "Land und Garten". Da holte er sich neue Ideen. Der Garten war nicht so ein Fette-Zeiten-Garten mit zig Blumen und Stauden. Es war ein Nutzgarten mit endlosem Kartoffelfeld, mit Stangenbohnen und Buschbohnen, mit Erben, Möhren, Kohlrabi, Rot- und Weißkohl, mit Gurken - und mit Erdbeeren.
Erdbeeren mussten manchmal nachbestellt werden. Und er bestellte immer nur eine Sorte: Senga Sengana. Die hielt er für robust genug. Er liebte ihre Früchte. Und "Land und Garten" schwor auch auf diese Sorte. Bestellt wurde über einen Pflanzenkatalog, den hatten wir auch nach seinem Tod noch lange Zeit.
Letztens habe ich mir ein Hochbeet eingerichtet. Mein Mann hat es aufgebaut. Und er hat auch 2 alte Europaletten ans Haus geschraubt. In die vorm Haus, wo viel Sonne hinkommt, habe ich 6 Erdbeerpflanzen gesetzt. Nun ratet, welche Sorte ich gekauft habe. Natürlich Senga Sengana. Und alles fiel mir wieder ein: mein Uropa Dietz in Nordhorn, der riesige Garten, die Doppelreihe mit Betonpfählen, die endlose Wäscheleine, die zig Obstbäume, die Reihen mit Erdbeeren, seine grüne Jacke, und sein Rat: wenn du Erdbeeren kaufen willst, achte auf die Sorte. 
Früher habe ich gelächelt über die Älteren, die immer von früher erzählten oder an früher dachten. Heute gehöre ich selber wohl schon selber dazu. 

Gedenke der vorigen Zeiten und hab acht auf die Jahre von Geschlecht zu Geschlecht. 
Frage deinen Vater, der wird dir’s verkünden, deine Ältesten, die werden dir’s sagen. 
5. Mose 32, 7


Kommentare

  1. Gut war sie, die gute alte Zeit. Was bei Erdbeeren Senga Sengana waren, waren bei Birnen ,Klaps Liebling‘.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Und Birnen mussten wir per Hubschrauber pflücken, so hoch waren die Bäume. Einmal ist mein Vater beim Birnenpflücken von der Leiter gefallen und hat sich mehrere Rippen gebrochen. Was für ein Elend. Und was für Schmerzen!

      Löschen
  2. Ja! Und Birnen mussten wir per Hubschrauber pflücken, so hoch waren die Bäume. Pflücken war gefährlich. Dabei ist mein Vater mal von der Leiter gefallen und hat sich mehrere Rippen gebrochen. Was für Schmerzen!

    AntwortenLöschen
  3. Ja! Und Birnen mussten wir per Hubschrauber pflücken, so hoch waren die Bäume. Pflücken war gefährlich. Dabei ist mein Vater mal von der Leiter gefallen und hat sich mehrere Rippen gebrochen. Was für Schmerzen!

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts