Ein Jahr Ruhestand oder: Wo ist eigentlich unser „Schleef“?
Ein Jahr Ruhestand – am 28. Mai 2022 war mein letzter Gottesdienst, an den sich eine wunderschöne Verabschiedungsfeier anschloss. Ich denke gerne daran zurück. Alles war so liebevoll ausgerichtet, noch mal ganz herzlichen Dank dafür an alle, die daran beteiligt waren.
Dann ging es Hals über Kopf in den Umzug. Am 1. Juni waren wir schon in Flensburg. Vor Pfingsten war alles im Haus – aber es gab noch lange keine funktionierende Küche. Es war richtig viel zu entscheiden, zu klären, zu lösen, und manches dauerte sehr lange. Die Familie hat liebevoll geholfen und begleitet. Wenn wir mit Nerven und Kraft am Ende waren, haben wir einfach aufgehört, sind in den Garten gegangen oder ans Meer gefahren.
Zunächst fühlte sich alles an wie ein ganz langer Urlaub. Irgendwann kam es dann in meiner Seele an: Ruhestand. Nach über 35 Jahren Pfarrberuf war Schluss. Kein 24/7 mehr: 24 Stunden im Dienst, 7 Tage die Woche. Das Telefon klingelte tagelang nicht. Dienstmails gab es keine mehr. Ein sonderbare Stille umgab mich. Aber sie tat gut und war heilsam für mich. Ich war so kraftlos und ausgepowert auf der Zielgeraden angekommen.
Neues Leben in neuer Stadt: wir fühlen uns beide sehr wohl hier. Flensburg ist einfach schön mit dem Hafen, der Förde, den alten Häusern, der 2 km langen Einkaufsstraße, dem Umland… Wir können zu Fuß einkaufen in unserem Stadtteil: es sind nur 800 m zur Sparkasse, zu Edeka, Aldi, zur Apotheke, zum Fleischer, zum Friseur, zur Pizzeria. Die Bushaltestelle ist nur 300 m entfernt. In 7 Minuten sind wir per Bus in der Innenstadt. Es gab nicht einen Tag Heimweh.
Wie kann man auch Heimweh haben, wenn der Enkel hier wohnt? Wir genießen es, ihn aufwachsen zu sehen. Wir sind eine Familie, die zusammenhält: unser Sohn, unserer Schwiegertochter und ihre Eltern. Wir unterstützen einander. Traurig dabei: unsere Tochter wohnt so weit weg in Solingen. Es sind fast 600 km bis zu ihr. Darum glüht oft das Telefon.
Ein Jahr Ruhestand – aber noch keine wirkliche kirchliche Heimat gefunden. Es macht mich richtig traurig, wie wenig Kirche hier vorkommt im Alltagsleben der Menschen. Die gähnend leeren Kirchen erschüttern mich immer wieder. Es wird gekämpft um den Fortbestand einer Volkskirche, die hier anscheinend viele längst abgeschrieben haben. Gottesdienst gehört für mich sonntags dazu – aber er findet oft im Fernsehen oder Radio für mich statt. Ich fühle mich sehr unwohl in den großen, leeren Kirchen.
Ganz
besonders dankbar bin ich für 2 Sachen:
-
Nach 2 Augenoperationen am Grauen Star habe ich ohne Brille100%
Sehkraft erlangt – vorher waren es mit Brille nicht mal 60%. Eine
Brille brauche ich nur noch zum Lesen.
- Und tief dankbar bin ich, dass die Nachfolge in den Kirchengemeinden so gut geregelt ist: Barbara Wündisch-Conz ist mit Schwung gewählt worden und wird von nun an den pastoralen Dienst übernehmen, wie wunderbar. Barbara, ich wünsche Dir alles Gute für Deine neue Zeit in der Krummhörn. Da wohnen viele ganz tolle Leute. Das wird gut, da bin ich sicher. Und Gott wird ja dabei sein, so what?
Wie hat eigentlich die viele Arbeit in mein Leben gepasst? Diese typische Rentnerfrage stelle ich mir auch. Es ist ja immer was zu „tiepeln“: Haus, Garten, Hochbeete, Brotbacken, E-Bike fahren … …. ……
Das Leben ist anders als vorher, aber es ist schön. Ich bin dankbar, auch wenn unser „Schleef“ noch nicht wieder da ist. ;-)
Liebe
Grüße aus dem hohen Norden von
Heike
Schmid
❤️
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