Liebe Karin - oder: Ein Mensch, der einen Ofen hat...




Liebe Karin,
Es ist August - fast 30° - und ich schreibe Dir von meinem Ofen. Klingt etwas verrückt, oder? Aber ich bin so froh und total dankbar: unser Ofen ist nämlich jetzt am neuen Ort  angeschlossen. Ganz lange hat es gedauert, bis wir einen Experten gefunden haben, der auch Zeit für uns hatte. Und als er Zeit hatte, konnte er kein Ofenrohr bekommen - Lieferengpässe überall.

Aber nun steht er bei uns im Flur vor großen Schieferplatten und sieht wunderschön aus.
Den Ofen haben wir vor über 10 Jahren in Ostfriesland gekauft.  Als wir ihn bekamen, hast Du mir einen Brief geschickt, weißt Du das noch? Es war ein Gedicht dabei von Eugen Roth: 

Ein Mensch, der einen Ofen hat 
Zerknüllt ein altes Zeitungsblatt, Steckt es hinein und schichtet stolz Und kunstgerecht darauf das Holz 
Und glaubt, indem er das entzündet, Die Hoffnung sei nicht unbegründet,
Dass nun mit prasselndem Gelärme 
Das Holz verbrenne und ihn wärme...

Da steht er also jetzt: unser großer, schwarzer Ofen. Er hat 9 KW, das heißt: er kann eine riesige Fläche beheizen. In Visquard hatten wir ihn eigentlich nur "für gemütlich" an: Abends im Winter - wenn denn mal frei war (selten genug!), schichteten wir also Holz, Papier, einen Anzünder drauf, und dann guckten wir gerne in die prasselnden Flammen. Der Ofen kann aber noch mehr: er hat ein Backfach. Darin habe ich schon Pizza und Brot gebacken - nur ganz ab und zu.

Das mit dem Ab und Zu und dem "Für Gemütlich", das könnte sich in diesem Winter wohl komplett ändern. Im Moment überschlagen sich die Meldungen: Gaslieferschwierigkeiten, explodierende Energiekosten, drohende soziale Verwerfungen, Menschen, bedroht von Armut.

Letzte Woche haben wir unsere Nachbarn eingeladen zu einem 11-Ührtje. Sie haben sich unseren Ofen angesehen. Wir haben gesagt: jetzt sind es 30 Grad, wir schwitzen und sitzen zusammen. Bald wird es kälter und auch kalt. Wenn ihr es riecht: da ist ein Ofen an, dann kommt rüber. Warum sollen nur 2 warm sitzen? Und wir haben zusammen geträumt: eine bringt dann Äpfel mit und wir machen uns alle Bratäpfel im Backfach. Und haben gelächelt bei dem Gedanken.

Noch fühlt sich alles sonderbar unrealistisch an. Wird es im Winter wirklich so schlimm? Müssen wir frieren? Wer kann sich das vorstellen?

Ich will mir lieber was anderes vorstellen: dass da niemand alleine durch muss, sondern dass Menschen zusammenhalten.

In einem Psalm heißt es: Siehe, wie fein und lieblich ist's, wenn Geschwister einträchtig beieinander wohnen. (Ps 133, 1)

Dass der soziale Kitt zwischen uns stark genug ist;
dass niemand die anderen zurück lässt und nur an sich selber denkt;
dass wir gemeinsam Krisen bewältigen;
dass Kirchengemeinden in jeder Hinsicht warme Orten sind;
dass Kirche sich jetzt gewährt:
das alles wünsche ich mir.

Ein Mensch, der einen Ofen hat - solche Menschen können ja Türen öffnen. 
Danke für Dein Gedicht, Karin. ich habe Deine Zeilen nie vergessen.

Liebe Grüße von
Heike Schmid



Kommentare

  1. Ich sehe euch schon die leckeren Bratäpfel essen und dabei gemütlich " schnacken ".

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  2. Liebe Heike Schmid! Auch wir haben einen Kamin. In der Übergangszeit genießen wir das 🔥 oft mit Freunden und Nachbarn. Dann bleibt die Flimmerkiste aus und es kommt zu Guten Gesprächen. Fast ist es wie in glücklichen Kindertagen. Manche Dinge haben auch etwas Gutes und wenn wir alle ein wenig zusammenrücken. Herzliche Grüße aus Norden
    Angelika Cyganek

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  3. Hallo Heike, das sieht ja fein aus, ganz warme Farben. Total gelungen ist euch das! Das ist wie die Maus Frederik : Farben sammeln für den Winter - Aber auch schon Pläne schmieden: Bratäpfel braten, vielleicht gibt es dazu einen Glühwein oder ein selbst gebackenes Brot.
    Der nächste Winter kommt bestimmt.
    Liebe Grüße von Almut

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